Wer Wagners Oper Parsival kennt, ebenso die Schriften von Wolfram von Eschenbach und ggfs. auch die Bedeutung der Tarot-Karte des Narren verstanden hat, dem ist der geistige Pfad des Narren nicht unbekannt.
Er bedeutet die Verkörperung der Wesens-Eigenschaft des kindlichen Narren, des thumben Thoren, desjenigen, der erst einmal allzu herzensoffen (dafür in viele lehrreiche Fettnäpfchen tapsend) in die Welt hinausgeht, um die Gralsuche anzutreten.

Die Zeiten erfordern es momentan in der Tat immer dringlicher, daß das wahre Wesen des Menschen sich tarnt, ohne sich jedoch von der wichtigen Charakter-Eigenschaft des kämpferischen offenen Visiers abzuwenden und dadurch in den Rückzug und die Passivität zu gehen.

Wer Herr der Ringe gelesen hat, kennt Gandalfs Aussage, die neun Gefährten des Ringes hätten sich mit Torheit zu tarnen, um Sauron nicht auf die Spur ihres Vorhabens zu führen.
Im Integralyoga gibt es einen Spruch, der sinngemäß lautet: “Wer auch nur einen Fuß auf den Pfad der Wahrheit und Selbstentwicklung setzt, der wird automatisch von allen Kräften der Unbewußtheit angegriffen, die den Sucher in den alten Sumpf zurückziehen wollen…”

Die beiden Schlußverse aus der Poesie Das Licht-Schloß lauten:

Doch Schweigen ist dann angebracht,
fatal die Plapperei.
Die ritterliche Hohe Wacht,
ist keine Narretei,

sondern sei damit getarnt,
daß keine Augen ruh’n
auf des Narren Wahrheits-Pfad
und seinem stillen Tun.

Wo ist der gemeinsame Nenner in den zitierten Aussagen?

Das stille Tun des ritterlichen Gral-Suchers ist die Notwendigkeit einer bewußten Lebens-Entwicklung, die durch die Wesenseigenschaft des Narren vermeidet, daß der allzu Normale und geistig Profane bemerkt, wie sehr die wandelnden Kräfte auf dieser Welt bereits im Wirken begriffen sind.
Eine Not-Wendigkeit, welche die Not unserer Erde zu wenden versucht.

Der Narr ist derjenige, der seine Weisheit nicht aus Büchern lesen muß, sondern die Wahrheit aus sich selbst zu schöpfen vermag.
Durch sein stilles Tun (durch die erwähnte nötige Tarnung des eigenen lichten Seelen-Wesens), werden viele Kräfte, die sich sonst wie aufgeweckte Hunde verhalten würden, ferngehalten.

In der heutigen Zeit der Verfassung des Gral-Epos, die leider noch nicht von einer sonnenhaften Menschheit geprägt ist, werden nicht nur allerlei Überwachungs-Kuriositäten immer undurchdringlicher, es wird auch eine Art Denunziantentum auf übelste Weise gefördert.
Ein Hartz-4-Empfänger berichtete mir einmal, wie sich manche Arbeitslosen gegenseitig bespitzeln würden, denn derjenige, der einen anderen bei Schwarzarbeit erwische, erhalte einen Bonus.

Es geht bei alldem aber nicht nur darum, allzu Auffälliges zu vermeiden und/oder sich eine etwas naiv wirkende äußere Wesens-Schicht zuzulegen, sondern auch darum, dies im eigenen Inneren als Vorgehensweise zu verwenden.

Wir leben heutzutage in einem Sammelsurium von wirren und verwirrenden Gedanken-Kräften, die einen in Normalität lebenden Menschen komplett prägen. Die Mainstream-Meinungen werden der Masse vorgegeben, und alle halten sie für die eigenen. Das ist nichts Neues. Das wissen wir.
Wenn wir uns aber alleine im Bereich der Gedanken und konzentrierten Gedanken-Formationen allzu intensiv auf Neuland ausrichten (und gewissermaßen schon eine eigene Welt im Mental-Bereich erbauen, um sie eines Tages zur Manifestation zu bringen), dann geschieht genau dasselbe, als wenn wir im Äußeren allzu unbequem werden: die Angriffe der sogenannten Normalität und Unbewußtheit sind unvermeidlich, denn wir dürfen nicht glauben, daß es Anderen, auch wenn sie unbewußt vor sich hin leben, verborgen bleibt, wenn wir anders handeln und empfinden als sie. Ganz rasch entstehen Neid und/oder Verleumdung, wenn jemand es wagt, sein Leben (selbst)bewußt in die Hand zu nehmen und unbeirrbar seinen eigenen sinngebenden Pfad zu beschreiten.

Die Lösung besteht nun ganz und gar nicht in Heimlichtuereien und dem Aufbau eines Lügen-Gebäudes. Das wäre keine Tarnung, das wäre eine Verfälschung - und wir wären nicht besser als all diejenigen, die durch Verfälschung der Wahrheit die Erde auf dieses Niveau brachten.
Auch würden wir die Ebene dieser Verfälschungen dadurch nicht verlassen können und immer nur im alten Müll wühlen.

Past is dust - wie der Engländer sagt.

Lassen wir den alten Staub also hinter uns … und begeben wir uns im Alltags-Bewußtsein auf eine Ebene jenseits dieser Verfälschungen, jenseits der abstrakten Meinungen und kruden Philosophien, die von Dogmen wimmeln und neue Abhängigkeiten erschaffen.
Begeben wir uns dauerhaft in eine Ebene der Offenheit und kindlichen Herzens-Liebe, wo das natürliche EINSsein mit allem Wesenhaften mehr und mehr verwirklicht werden kann und die UR-sprünglichen Wahrheiten hinter all den Verfälschungen immer mehr zum Vorschein kommen.
Das ist der innere Pfad des Parzzival, der Pfad des Narren, der - wie bereits erwähnt - keine Bücher braucht, weil er aus der eigenen inneren Quelle zu schöpfen vermag, die ihm nicht nur den Pfad weist, sondern ihn auch mit den Früchten der Glückseligkeit überschüttet, je aufrechter und unerschrockener er den Pfad geht.

Diese Quelle wird in diesen Tagen immer erkennbarer sprudeln.
Vielleicht ist das eine Gnade des beginnenden neuen Äons.
Trinken wir aus ihr, aus diesem Wasser des Lebens, so wird der Alltag nicht mehr grau erscheinen, sondern seine Eintönigkeit verlieren, denn alles Geschehen, alle Ereignisse, die den eigenen Lebenspfad berühren und würzen, sind dann die willkommenen Lern-Effekte, um eines Tages so weit zu erblühen, daß wir nicht mehr aus der Quelle zu trinken brauchen, sondern selbst zur Quelle geworden sind.
Diese braucht sich dann nicht mehr zu tarnen, sondern ist selbst-seiend ein pures Instrument der Wahrheit geworden.

Es lohnt sich also sehr, diese Quelle zu suchen.
Und wer sie wahrhaftig sucht, der wird sie auch finden.

Aus dem Buddhismus kommt hierzu ein weiser Spruch: “Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Wer zur Quelle will, muß daher gegen den Strom schwimmen.”

Sehnen wir uns daher mit jeder Faser des Herzens unermüdlich und voller Aufrichtigkeit nach der Weite im Geist, jede einschränkende Enge vermeidend, nach der unverfälschten Wahrheit in der seelischen Ewigkeit, jede Identifikation mit Vergänglichem vermeidend, und der selbstlosen Liebe und ihrer gleißenden Macht, jedes mentale Urteilen in den engen Grenzen der Regeln und Strukturen ablehnend.

Dann wird die innere Quelle wie ein strahlender Springbrunnen, wie ein erquickender Lebens-Born vor und in uns allen erscheinen und uns stets als Instrument einer immer unverfälschteren Wahrheit handeln lassen.

Wollen wir das Wort Narr aber auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten, denn nur mehrere Betrachtungen aus vielen Richtungen lassen uns der Wirklichkeit näher kommen.
Im Altnordischen bedeutet Arr, der Krieger. Der Buchstabe N jedoch kommt von der Not-Rune, welche Schicksal, Nornen, Unabwendbares, aber auch Gerechtigkeit bedeutet, wie auch die Stabilität der Zahl Acht, was z.B. in den Büchern von Herrn Spießbergen nachgelesen werden kann, um das eigene Gewahrwerden abzurunden.

Die Rune Not scheint auch das Hervortreten des Göttlich-Unendlichen in die endliche irdische Manifestation zu symbolisieren. Also die bewußt auf sich genommene Begrenzung, zum Grunde der Wandlung der Ganzheit. Aus UR - dem reinen Sein - wird NOT-UR (Natur), was bedeutet, dass das Göttliche sich notwendigerweise in die Begrenztheit der Materie hineinstürzt, um durch diese initiierte Trennung letztlich wieder sich selbst hervorzubringen. Natur wird dadurch geboren, worin das unverfälschte Göttliche als Samen in einer anscheinend chaotischen Entwicklung liegt.
Aus der Verneinung der Unbewußtheit der Materie, die die NOT erzwingt, entwächst auf diese Weise das Gleichgewicht, die Gerechtigkeit, ja das Erblühen der höchsten WAHRHEIT in der vorher unbewussten Materie.
Der N-ARR ist somit der Krieger, der dafür sorgt, daß sich die göttliche Wirklichkeit in der Materie zu erheben beginnt. Seine Kraft erzwingt das Erblühen der Wahrheit in der Menschenwelt. Oder durch das Symbol der Zahl Acht erläutert:  Wenn die Acht sich legt, wird sie zur Unendlichkeit. Das mathematische Zeichen dafür ist die liegende Acht.
Der Narr bringt die starre irdische Schein-Gerechtigkeit zum Umfallen. Ist die Acht gefallen, wandelt sie sich zur Unendlichkeit.

Wenn wir Narr im Sprachgebrauch als Synonym für Spinner nehmen, ergibt sich allerdings auch ein interessanter Sinn: Der Spinner spinnt an etwas. Er webt seine eigene Wirklichkeit, die von der Masse nicht erkannt wird. Letztlich ist das nichts anderes als die Vorgehensweise der göttlichen Realität in der Materie: unerkannt wirken. An der Selbst-Entfaltung in uns Menschen so lange spinnen, bis Kraft und Bewußtheit ausreichen, um wahrhaftig wirken zu können.

Mögen wir daher aus ganzem Herzen und mit voller kriegerischer Tatkraft einen Narren verkörpern.
Mögen wir stets von innen heraus, unerkannt, an der Heilung der Welt und ihren Erscheinungen arbeiten.
Dadurch findet sowohl Heilung einer gestörten Harmonie als auch Demaskierung des alten, teils pervertierten Seins statt.
Das Unendliche wird im Endlichen enthüllt werden, die Not wird gewendet werden, eine Not-Wendigkeit tritt somit ein und erfüllt sich.

All dies wird vom Narren symbolisiert!