Das Böse

O du vielgeschmähtes Böse,
da lauerst du unerkannt und mit anscheinend dämonischer Bösartigkeit
in den finstren Schlünden der Existenz.

Verschmäht und als ewiger Sündenbock erkoren,
mußt du für alles Leid und allen Schmerz bezahlen,
der der Erde innewohnt und sich in unseren Tagen zu offenbaren und reinigen beginnt.

Dargestellt als Gottes Widersacher und dunkler Tyrann,
mußt du ertragen, daß nur die Weisesten von deiner tiefen Bedeutung ahnen;
denn wer es weiß,
daß kein Staubkorn der Schöpfung außerhalb des Göttlichen existieren kann,
der muß zugeben,
daß deine Existenz die Frage nach deinem Ursprung in die Welt setzt.

O Böses, scheinbarer Herrscher des abgrundtiefen Nichts,
der du als Verursacher von Kriegen und Qualen gesehen wirst,
als Vater von Tod und Vernichtung,
wird nicht durch dich die Welt zum Fortschritt getrieben?
Initiierst du nicht den Willen zur Wandlung und spirituellen Strebsamkeit
durch den Druck der Materieleiden?
Wird nicht das durch dich gequälte Herz zum Erblühen im Einssein mit dem Herrn gebracht?

Die Ketten der Nacht, die du um die unwissende Schöpfung gelegt hast,
entzünden die Glut des seelischen Wachstums
und bereiten die Saat für die Enthüllung des Schöpfers in der Materie.

Nur in der Finsternis wird das sich entzündende Licht bemerkt.
So böse kannst du also gar nicht sein, o Böses,
denn wie könnten die Wesen der Schöpfung zum Urquell des Seins gelangen,
wenn sie nicht - durch dich getrieben -
dem kläglichen Dasein der Vergänglichkeit entfliehen wollten.