Wenn du es nur zuläßt ...
Gespräche im Innern

Warum erblüht des Frühlings Schönheit einmal im Jahre nur?
Warum willst du nicht erkennen, daß das Frühlingserwachen in jeder Sekunde deines Lebens stattfinden wird, wenn du es nur zuläßt?

Warum müssen wir denn einst sterben, wenn Gott der Herr des Lebens sein soll?
Warum willst du dich denn an ein Leben in Unvollkommenheiten klammern? Siehe, würdest du in diesem deinem Zustand ewig leben, so wäre dieses 'Leben' eine Folge von sich langweilenden Trägheiten, inneren Verhärtungen und Unwilligkeiten zum Wachstum. Hast du jedoch das Gefühl einer Bedro-hung durch den Tod, dann wirst du dazu angetrieben, dein Leben im Jetzt sehr effektiv und kreativ zu gestalten und dadurch innerlich so sehr zu reifen, daß du einst die Täuschung des Todes erkennst. Auch wird die Essenz deines Seins einst eine neue Chance zum Wirken erhalten, ohne sich an vergangene Fehler und Fesseln erinnern zu müssen. Erkenne den sogenannten Tod als Metamorphose; doch die Wandlung in ein neues ewiges Leben kann und sollte sich schon während deines irdischen Aufenthaltes vollziehen. Und sie wird sich auch vollziehen, wenn du es nur zuläßt.

Warum gibt es denn auf der Welt soviel Böses, soviel Haß und Kriege, wenn Gott der Herr der Liebe sein soll?
Warum öffnest du dich nicht demjenigen, den du Gott nennst? Dann nämlich wirst du sehen, daß Er wirklich reine Liebe ist. Keine Öffnung - keine Erfahrung reiner Liebe!
Und die Welt bleibt ein Jammertal für dich.
Er wird deine Öffnung jedoch nie erzwingen. Er inspiriert dich nur, es in dir geschehen zu lassen. Und dann wirst du eine wunderbare Wandlung erleben - und mit dir die Welt, die du jetzt noch als so schlecht empfindest - wenn du es nur zuläßt.

Warum fliegen die Vögel singend durch die Lüfte und warum erwecken sie in mir die Sehnsucht, es ihnen gleichzutun?
Warum tust du es ihnen nicht gleich? Laß deine Sehnsüchte in die Weite des Himmels fliegen. Laß deine Träume in die Unendlichkeit des Kosmos strömen und identifiziere dich mit der Ewigkeit. Der Vogel ist ein Symbol für die Seele - und diese möchte in die Ewigkeit wachsen, der sie einst entsprungen ist. Und sie wird wachsen, wenn du es nur zuläßt.

Wohin geht es nach dem Tode?
Es geht durch die selbsterschaffenen Höhen und Tiefen deines Lebens; und dann - nach Hause, wenn du es nur zuläßt.

Warum ist gerade mein Leben so sehr mit Schwierigkeiten gepflastert?
Wärst du ohne Schwierigkeiten bereit, zu lernen und zu wachsen? Sieh jedes Problem als eine Gnade des Schöpfers. Jede bewältigte Schwierigkeit kann ein Meilenstein in deiner inneren Entwicklung sein, eine goldene Chance zum Wachstum, wenn du es nur zuläßt.

Warum ist die Welt so entsetzlich ungerecht?
Ungerecht scheint sie dir nur aus dem Blickwinkel deines unwissenden Verstandes, der glaubt, seine kleinen, engen Logikgesetze der Welt aufdrängen zu müssen und das Sein mit be-grenztem Denken begreifen zu können.
Ungerecht ist lediglich die von Menschen erdachte und kon-struierte Welt, denn wahre Gerechtigkeit existiert nicht im inneren Wortschatz der Herzen derjenigen, die den Zustand der heutigen Erde mittragen.
Wenn du deinen Erkenntnisbereich durch Hingabe an das Unendliche und Schrankenlose erweiterst, dann werden auch deine Begrenzungen fallen, wenn du es nur zuläßt, und du wirst sehen, daß eine übergreifende, unumgängliche Gerechtigkeit sehr wohl durch die Schöpfung wirkt. Doch dieser Prozeß mag schmerzhaft sein, denn dein altes, bisher festgehaltenes und an-genehmes Weltbild zerbricht, und du wirst die Verantwortung der Erkenntnis auf dich nehmen müssen. Dann jedoch wird sich dein Leben aus dem Bereich der Gerechtigkeit erheben und in das Licht der Gnade eintreten, wenn du es nur zuläßt.

Trotz allem begreife ich nicht, warum Menschen Kriege entfachen können?
Sind es wirklich die Menschen, die zerstören? Ist es nicht eher das Tier des Machtrausches, das vernichtet, was ihm im Wege steht? Bereits die Bibel warnte vor der Zahl 666, welche nichts anderes bedeutet, als das verschlüsselte Symbol für den sich selbst zum König der Welt erhebenden denkenden Verstand, der wahrlich teuflische Züge annehmen kann, wenn er von den ungereinigten tierischen Trieben aus unseren tiefsten Bewußtseinsschichten genährt wird. Sieh dich um in der Welt, und du wirst erkennen, wo das Tier überall schon herrscht und wie ihm von unzähligen Mitläufern in den scheinbaren Demokratien der Welt tagtäglich seine Herrschaft bestätigt wird. Ausgestattet mit dem Verstand des Menschen ist dieses Tier viel gefährlicher als der reißende Wolf, welcher nur seinen Trieben folgt, jedoch nicht bewußt vernichten kann.
Der Mensch hat die freie Wahl: Öffnet er sich dem Tier in sich selbst (welches heißt Macht, Begierde, Stolz, Neid, Geltungs-drang und Überheblichkeit), dann folgen Krieg und Zerstörung im großen und im kleinen. Öffnet er sich jedoch der Gottheit in sich selbst (die da heißt Liebe, Frieden, Licht, Reinheit, Hingabe und letztendlich völliges Einssein mit ihr), dann folgen wahres Glück, Ewigkeit und unendliche Freude.

Wer bist du, der du in mir auf meine Fragen antwortest?
Noch trennst du das du und das ich, daher stellst du diese seltsame Frage. Es wird der Zeitpunkt kommen, zu dem ein du nicht mehr existieren kann, weil für dich alles eins geworden ist. Dann wirst du sehen, daß du selbst, die tiefste bzw. höchste Ebene deiner Existenz, sag innerer Pilot dazu, dir alle Antworten stets gegeben hast. Denn trennst du das Göttliche vom Menschen, dann stellst du dich außerhalb Seiner Existenz und wirst anfällig für die Sünden des Getrenntseins.
Gott wird dadurch zum Mysterium, und der Mensch fühlt sich erbärmlich klein, wenn er über sein vergängliches Leben nachdenken muß. Fühlst du jedoch bewußt, daß du untrennbar ein Teil des Göttlichen bist, läßt du Seinen Samen in deinem Herzen erblühen und versuchst, zu einem dienenden Instrument Seiner Fülle zu werden, dann wird Seine Einssein-Ewigkeit zur überwältigend erfüllenden Realität in deinem Leben.
Das Mysterium wird zur täglichen Erfahrung, und der von jeder eingebildeten EGO-Größe geläuterte Mensch darf bewußt an der Ekstase-Größe der Höchsten Herrlichkeit teilnehmen. Mehr noch: Er ist zu Ihr geworden!


Das Experiment

Vor vielen Jahren, zu einer Zeit, als die ersten Sprechfunkgeräte gerade erfunden waren, lebte weit außerhalb einer kleinen Ansiedlung irgendwo auf Island in der Nähe des Hochtals Kaldidalur ein Wissenschaftler, der sich auf die Erforschung von Funkwellen spezialisiert hatte und zu den besten Kapazitäten auf seinem Gebiet zählte: Hans Skeidur.
Mitten in der isländischen Wildnis zwischen ewig vereisten Bergen und vegetationslosen Lavafeldern hatte Hans ein hochmodernes Labor eingerichtet, wozu ihm der Staat manche Unterstützung gewährt hatte, damit er dort in der selbstgewählten Einsamkeit seine elektronischen Forschungen vorantreibe.
Islands wenige Industrie hatte nicht allzu viele wissenschaftliche Kapazitäten vorzuweisen, und so war man froh über jede Art von nationaler Eigeninitiative auf dem Gebiet der Forschung.
Hans Skeidur arbeitete zur Zeit an einem geheimen Auftrag, den er über die Staatsregierung erhalten hatte und der seinen ganzen Forscherdrang herausforderte:
Er sollte herausfinden, ob mittels ausgeklügelter Modulations-Methoden die regulären Funkwellen derart modifiziert werden konnten, daß sie Materie dazu veranlaßten, einen 'Historischen Abdruck' ihrer selbst in Form von hochfrequenter Strahlung auszusenden. Resonanz-Schwingungs-Generator - kurz RSG - nannte Hans das zu konstruierende Modulationsgerät, welches jede Materie zur Preisgabe des Abdrucks anregen sollte.
Dieser Abdruck würde dann, nachdem er mit regulären Empfängern festgehalten worden war, Aufschluß darüber geben, was sich einst in der Nähe dieser Materie abgespielt hatte.
Vereinfacht ausgedrückt handelte es sich also um eine Art 'Zeitmaschine', an der der Wissenschaftler arbeitete.
Allerdings würde man mit dieser Maschine nicht reisen, sondern nur in die Vergangenheit 'sehen' können, wenn sich alle theoretischen Überlegungen in die Praxis umsetzen lassen würden. Doch diese Möglichkeit war schon genug, um sein Projekt zur Geheimhaltungsstufe eins zu erklären. Geheimdienste aus aller Welt würden sich um dieses Gerät reißen. Da waren sich die Auftraggeber von Hans Skeidur sicher.
Hans hingegen interessierte sich wenig für die letztendliche Verwendung seiner Erfindung, wenn sie einst fertiggestellt war. Er fühlte sich als Forscher. Er wollte entdecken.
Was danach geschah, darüber sollten sich andere den Kopf zerbrechen.
Heute sollte ein wichtiges Vor-Experiment zum Abschluß der theoretischen Berechnungen stattfinden, bevor Hans mit dem Bau des eigentlichen Resonanz-Schwingungs-Gerätes beginnen wollte. Er hatte einen Versuchs-Generator konstruiert, mit dem er die uralten Gesteinsformationen im isländischen Thingvellir bestrahlen wollte, um aus der Frequenz-Reaktion der Steine Aufschlüsse über die tatsächliche historische Aussagekraft der Strahlungs-Emission zu erhalten.
Das wilde Tal Thingvellir war der geeignete Ort für dieses Experiment, wußte man doch sehr genau, daß hier die alten Wikinger einst ihre Versammlungen abgehalten hatten.
Und aus der gut erhaltenen Geschichtsschreibung Islands wußte man auch, wann bestimmte Ereignisse stattgefunden hatten in diesem ältesten Parlament des Nordens.
Aus der gesamten Versuchsanordnung und den Emissionen der Steine mußten sich also Rückschlüsse darüber ziehen lassen, wie letztendlich der RSG einzujustieren sei, bzw. überhaupt erst folgerichtig zu konstruieren sei. Man mußte nur die gemessenen Reaktionen der Steine mit den geschichtlichen Daten vergleichen, wozu Hans bereits ein detailliertes Analyseverfahren errechnet hatte.

Bereits am frühen Morgen packte er seine Apparatur in einen Jeep, fuhr durchs Kaldidalur nach Süden und war bereits gegen Mittag damit beschäftigt, die Gerätschaften mitten in der mystischen Umgebung der alten Wikinger-Richtstätte zu installieren. Die zuständige Gemeindeverwaltung hatte das Thingvellir an diesem Tag für die stets anwesenden Touristen gesperrt, sodaß der Forscher völlig ungestört von neugierigen Augen seinen Versuch durchführen konnte. Schließlich galt es ja, ein Top-Secret vor der Öffentlichkeit zu schützen.

Am frühen Nachmittag war es dann soweit.
Hans Skeidur hatte alle Vorrichtungen und Meßgeräte aufgebaut und wollte das Experiment sofort starten.
Mit erwartungsvollem Herzklopfen stand er vor einem länglichen Schalthebel, der den gesamten Versuchsvorgang starten würde. Kurz überflog er nochmals die wichtigsten theoretischen Berechnungen - und lächelte zufrieden.
Nein! Es konnte nichts fehlschlagen.
Alles war richtig berechnet. Die alten Felsen mußten jetzt 'erzählen', was sie gesehen hatten. Und er, Hans Skeidur, würde der erste Mensch der Welt sein, der der unbelebten Materie ihren Historischen Abdruck entreißen würde.
Der Zeitpunkt des Versuchsresonators war auf eine Zeit eingestellt, in der die Wikinger von Skandinavien kommend dieses Land aus Feuer und Eis gerade in Besitz genommen hatten und hier an diesem mystischen Kraftplatz ihrer wilden und oftmals schrecklichen Gottheiten gedachten.
Hans atmete noch einmal tief durch - und legte dann den Hebel um.
Das letzte, was er bewußt wahrnahm, war ein unglaublich greller Lichtblitz, gefolgt von einem schaurigen Urton, der sich in die tiefsten Tiefen seiner Existenz zu graben schien.
Danach war nur noch dunkle Unbewußtheit.
Das Nichts hatte den Wissenschaftler verschlungen.

***
Ohne Hans Skeidurs Wissen hatten einige Sonderbeauftragte einer Geheimbehörde ( ...war es überhaupt eine isländische Behörde ...? - Das bleibe an dieser Stelle unbeantwortet ...) den Versuch per Fernglas von den Höhen der umgebenden bizarren Hügellandschaft aus beobachtet. Es galt ja schließlich, ein entstehendes Staatsgeheimnis zu bewahren.
Auch diese Männer waren etwas nervös, als der berühmte Wissenschaftler den Hebel umlegte. Doch was sie gleich darauf durch ihre Ferngläser sahen, daß ließ ihre Herzen vor bangem Entsetzen rasen:
Kaum hatte Hans den Versuch gestartet, da wurde das ganze Gebiet um die technische Apparatur in gleißend helles Licht getaucht, das unangenehm grell in die Augen stach.
Danach schienen die gesamten bestrahlten Felsen ein gespenstisches Eigenleben zu entwickeln: Sie begannen heftig zu pulsieren, als wenn sie lebten und atmen würden, und gaben dabei derart schreckliche Geräusche - nein ein richtiges Angstgeschrei, das sich aus den Tiefen der gequälten Materie zu erheben schien - von sich, daß sich die Agenten die Hände an die Ohren preßten, um ihr Trommelfell zu schützen.
Nach ein paar Sekunden war der ganze Spuk jedoch vorbei. Die Sonderbeauftragten starrten völlig verwirrt auf die Stelle des Geschehens - und es dauerte eine Zeitlang, bis sie begreifen konnten, was sie sahen: Die Steine pulsierten nicht mehr, doch die technischen Geräte lagen völlig zertrümmert umher, und deren Konstrukteur ... war verschwunden.

***
Das Bewußtsein des Wissenschaftlers explodierte.
Als es von dieser grellen Helligkeit und dem erschreckenden Getöse fast zerrissen wurde, waren die letzten klaren Gedanken: 'Alles ist schiefgegangen ..., das ist das Ende ...'
Danach versank Hans im erlösenden Nebel einer allumfassenden Ohnmacht.
Als er langsam wieder zu sich kam, war es völlig dunkel um ihn herum.
Der Wissenschaftler brauchte einige Minuten, um im Geiste zu rekonstruieren, was überhaupt geschehen war.
Langsam lichtete sich der Nebel seines Bewußtseins. Der grelle Blitz, die schrecklichen Töne - ja, das Experiment war mißlungen. Doch wo befand er sich?
Im isländischen Sommer gab es keine derartige Dunkelheit, wie sie nun um ihn lag. War er durch den Blitz erblindet? Eiskalter Schrecken durchfuhr ihn. Wie würde er als Blinder seine Forschungen fortsetzen können?
Erst jetzt, nach diesen niederschmetternden Gedanken, registrierte Hans Skeidur etwas noch Bedrohlicheres: Er konnte sich nicht rühren, ja, er mußte gefesselt sein. Seine Brust war plötzlich wie von einer eisigen Hand umfaßt. Er versuchte, seine Arme und Beine zu bewegen, um überhaupt seine Lage feststellen zu können. Und er spürte, daß er auf einer rauhen Unterlage, vielleicht einer fellbespannten Pritsche, völlig festgebunden war. Die Arme waren an den Körper gebunden, die Beine fest zusammengeschnallt und am unteren Ende nochmals irgendwo befestigt.
'Ich bin verrückt geworden ..., durchgedreht ..., übergeschnappt durch diese grauenvollen Töne ..., und jetzt liege ich in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie in Reykjavik ..., festgebunden im Bett ...', das waren seine ersten Gedanken, als er seine Lage mehr und mehr analysierte. Irgendwie gab ihm diese Erkenntnis sogar noch etwas Sicherheit. Es war eine für den Verstand akzeptable Erklärung der Situation. Die Bedrohlichkeit war zunächst gewichen.
Hans lauschte nun aufmerksam. Er versuchte, irgendwelche Geräusche zu vernehmen, die seine Vermutung bestätigten. 'In einer Klinik ist es doch nie so totenstill wie hier', schoß es ihm durch den nunmehr wieder klar arbeitenden Verstand.
'Oder bin ich auch noch völlig taub geworden? Haben diese Geräusche meine Trommelfelle zerstört? Blind ..., taub ..., in der Psychiatrie gelandet ..., mein Gott ..., das Experiment hat sich wirklich gelohnt ...' fügte er in Selbstironie noch still hinzu.
Aber so sehr er sich auch anstrengte - nichts war zu hören.
Doch! Da war etwas. Klang das nicht wie Schnarchen?
Ganz weit entferntes Schnarchen?

'Also doch eine Klinik ...' vermutete der Wissenschaftler beruhigt, 'es ist Schlafenszeit, daher sind die Zimmer von der Sommersonne abgedunkelt - also bin ich nicht blind. Und taub bin ich auch nicht ..., Gott sei dank ...'
Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als zu warten, bis die Krankenschwester der Frühschicht hereinkam, die Verdunkelung abnahm und ihn endlich aus der Sicherheits-Verwahrung befreite, wenn sie sah, daß er wieder normal war. Trotz des mißlungenen Experimentes und der unangenehmen Lage war er froh, daß nicht mehr passiert war.
Wieder etwas beruhigt, wurde Hans nun von einem wohltuenden, traumlosen Schlaf übermannt. All die Geschehnisse, die lange Ohnmacht und die fantasiereichen Befürchtungen hatten ihn doch ziemlich mitgenommen.
Er wachte auf, weil ihn ziemlich heftig die Blase drückte. Instinktiv wollte er aufspringen, da realisierte er erst, daß er ja immer noch gefesselt war.
Doch es war etwas heller geworden, zumindest dämmerig, sodaß er erkennen konnte, wo er sich eigentlich befand. Und diese Erkenntnis traf den Forscher wie ein Hammerschlag.
Er lag in einem urtümlich antik ausgestatteten Wohnraum der Wikingerzeit, wie er sie aus den Museen seines Landes kannte. Ohne im geringsten zu begreifen, wie er hierher gelangt war, rief er laut: "Hee, ist da jemand?"
Draußen war ein Rumoren zu hören.

Hans war sich nun sicher, einem seltsamen Scherz aufgesessen zu sein, so rief er nochmals laut:

"Der Scherz war gut, Leute, doch jetzt könnt ihr mich losbinden, sonst wird euer Bett naß, ich muß nämlich dringendst auf die Toilette." Endlich ging seitlich eine Tür auf. Hans drehte den Kopf und ein zweiter Schreck durchfuhr ihn, der jedoch nur kurz andauerte, weil er erst einmal lauthals lachen mußte. Da stand doch ein Hühne von einem Mann in der Tür, verkleidet als alter Wikingerkrieger, der ihn mit durchdringendem Blick ansah.

Als Hans nun sichtlich belustigt zu lachen anfing, brüllte der Hühne in altisländisch: "kein lachen! sprech! woher kommst du? wer bist du?"

An dieser Stelle muß nun erwähnt werden, daß die isländische Sprache sich in all den Jahrhunderten nur wenig weiterentwickelt hatte. Die Mundart der alten Wikinger war also für den modernen Isländer durchaus noch verständlich, sie wirkte alt - doch nicht fremd.

Hans Skeidur lachte den Mann also weiterhin an und erwiderte: "Also ich muß schon sagen, dieser Scherz ist gut gelungen.

Doch nun binden Sie mich bitte los. Ich muß dringend zur Toillette gehen. Und danach möchten Sie mir bitte erklären, was eigentlich seit meinem mißlungenen Experiment geschehen ist."

Der Wikingerkämpfer stellte sich nun drohend vor Hans ans Bett, hob seine Streitaxt und brüllte unfreundlich:
"ich schlage dich auseinander, wenn dein mund nur unsinn spricht. was ist torlette? was ist experament? ich kenne das nicht. und ich bin sippenführer! ich muß alles kennen! sag sofort, woher du kommst. und deinen namen! sonst ich schlage entzwei. wenn du geächteter bist, aus ödathroun, dann schlage ich ebenfalls entzwei."

Hans Skeidur wurde es nun doch etwas mulmig zumute. Etwa in dieser Weise hatten die alten Wikinger wirklich geredet. Durch die Nennung des Begriffs 'ödathroun' bekam die ganze Situation einen realistischen Aspekt. In diese Wüste der Missetäter, was 'ödathroun' in etwa bedeutete, schickten die alten Wikinger früher alle Krieger, die gegen den strengen Ehrenkodex der Nordmänner verstoßen hatten, was schlimmer war als ein Todesurteil, denn es handelte sich bei dieser Wüste um ein völlig karges, wasser- und vegetationsloses Gebiet voller Vulkanasche. So wirkte die ganze Situation plötzlich ausgesprochen echt. Hans Skeidur beschloß das seltsame Spiel erst einmal mitzuspielen, um herauszufinden, was eigentlich geschehen sei und in welcher Maskerade er hier unfreiwillig gelandet war.

Er antwortete freundlich und mit Bedacht:

"Nein, ich komme nicht aus der Wüste. Ich heiße Hans Skeidur und komme vom Kaldidalur. Ich bin Forscher und weiß nicht, wie ich hierher gelangt bin. Ich habe ein Experiment gemacht, das bedeutet: ich habe ein neues Gerät ausprobiert. Und das ist irgendwie mißlungen. Und nun erwache ich hier in Fesseln. Doch bitte, mein Herr, binden Sie mich nun los, denn ich muß dringend einem menschlichen Bedürfnis nachkommen."

Der Wikinger hob nun erneut die Streitaxt. Hans glaubte schon, sein letztes Stündlein habe geschlagen und biß unter zusammengekniffenen Augen die Zähne zusammen. Doch der Krieger hieb nur mit einem wohlgezielten Schlag diejenigen Knoten durch, die Hans' totale Fesselung sicherten. Er war nun mit einem Mal völlig frei. Es brauchte noch eine Zeit, bis er sich kurz die steifen Glieder massiert hatte. Dann stand er mit zittrigen Knien auf und sagte schlicht und einfach: "Danke!"

Der Hühne in seinen uralten Fellkleidern schüttelte den Kopf, daß seine langen, blonden Haare nur so dahinflogen. Dann bot er Hans seine breite, schwielige Hand dar und sprach viel freundlicher: "sei mein freund. du bist kein geächteter, also freund, hans. welches bedürfen hast du? hast du hunger? brauchst du weib?"

Hans machte seinem Gastgeber nun deutlich, welches einfache Bedürfnis er hatte, doch daß er gerne auch etwas zu essen bekäme. Der Krieger lachte daraufhin und sagte: "du kannst nach draußen gehen. hinter dem haus ist platz. aber paß auf. viel schnee diesen winter. dann komm wieder rein. dann erzähle du genau, was geschehen ist."

Hans wurde nun innerlich ganz ruhig und versuchte bedächtig, einen Sinn in das Ganze zu bringen. Als er das Experiment startete, war es Sommer. Jetzt war tiefster Winter. Alles war verschneit, als er vor die Tür trat. Frierend verrichtete er rasch seine Notdurft und betrat dann wieder das Holzhaus, welches weit und breit das einzige in der verschneiten Hügellandschaft zu sein schien. Unter tiefen Gedanken zog er die Tür hinter sich zu, froh, wieder im Warmen zu sein.

'Es ist tatsächlich Winter. Das erklärt auch, warum es so dunkel war. Habe ich ein halbes Jahr in Ohnmacht gelegen? Doch wieso lebt und benimmt sich dieser Mann hier wie unsere Vorfahren? Bin ich etwa in geistiger Umnachtung nach dem Unfall in ein ganz abgelegenes Tal geraten, wo die Menschen noch wie früher leben? Oder ist mein Gastgeber schlichtweg ein Nostalgiker, dem dieses Spiel einfach Spaß macht?'

Hans konnte sich einfach keinen Reim aus all den Eindrücken und Geschehnissen machen. Er zog daher vor, zunächst einmal seine passive, unterwürfige Rolle weiterzuspielen, um heraus-zubekommen, wo er sich befand und was geschehen war. Er betrat die Wohnstube, die sich gleich neben seinem Gefängniszimmer befand, oder wie man auch immer diesen Raum hätte nennen sollen. Wärme aus einer primitiven Feuerstelle umgab ihn. Es drängte sich ein penetrantes Geruchsgemisch aus Tran, Schweiß und Holzrauch auf. Mitten im Raum, der auch absolut im Wikinger-Stil eingerichtet war, saß und lag eine Kleinfamilie um einen alten Rundtisch herum, der die zentrale Begegnungsstätte in dieser Hütte zu bilden schien.

Das Reden erstarb. Vom Kleinkind bis zum Großvater - letzterer ausgemergelt und zahnlos grinsend direkt am wärmenden Feuer sitzend - starrten alle auf den Eintretenden. Daß die ganze Familie in die längst veralteten Landestrachten der Eddazeit gekleidet war, wunderte ihn schon nicht mehr. "Bless", sprach Hans förmlich in den Raum.

Ein durchaus freundliches, doch gleichzeitig etwas mißtrauisches Kopfnicken und einige seltsame Grußworte kamen zurück.

Doch es lag keine Spannung in der Luft.

Das Oberhaupt der Sippe, Volkar mit Namen, wie er erfahren hatte, bat seinen Gast, Platz zu nehmen. Dann schenkte er ihm einen Humpen mit Met ein und gab lautstark von sich:

"bist hier willkommen, fremder, auch wenn du seltsam sprichst und aussiehst. mußte dich aber erst festbinden. war nicht sicher, ob du geächteter bist. von ödathroun. liegt ja nicht jeder einfach vor der tür im winter, oder?"

Hans bekam wieder Herzklopfen, als er diese Sätze hörte. Er hatte also einfach vor der Tür gelegen. Mitten im Winter. War er wirklich ein halbes Jahr mit Gedächtnisschwund in der Gegend umhergeirrt?

"Sagt, mir, Volkar, wo sind wir hier bitte? Ich glaube, ich habe mich verlaufen."