Wie das Zwergle von der Dinosaurier-Welt erfuhr

Sicher weißt du noch, wie das Zwergle zum ersten Mal erfuhr, daß es unter unserer Welt eine Unterwelt gibt, in der noch die alten Dinosaurier leben. Doch wenn du es nicht mehr wissen solltest, dann werde ich es dir jetzt erzählen.
Unser Zwergle hatte einmal ein sehr gefährliches Abenteuer mit dem Vogel Roch erlebt. Auch der Zauberer Homunkulus war dabei gewesen. Am Ende dieses Abenteuers hatten sich das Zwergle und der Zauberer für den Winter verabschiedet und noch ein paar Worte gewechselt, wie gute Freunde es eben tun. Zwergle hatte dem Zauberer erzählt, daß es im Winter nicht viel aus dem Haus gehen wolle, worauf der Zauberer zu erzählen begonnen hatte:
"Ja, Zwergle, ruhe dich nur gut aus. Ich weiß, daß wir nächstes Jahr sehr viele gefährliche Abenteuer zusammen erleben werden. Als Zauberer kann ich manchmal ein wenig in die Zukunft sehen. Und es wird nächstes Frühjahr hier im Zwergles-Wald etwas Schlimmes geschehen, das wir beide wieder in Ordnung bringen müssen. So sammle all deine Kräfte. Du wirst viel kämpfen müssen nächstes Jahr."

Das Zwergle war ganz aufgeregt gewesen, als es von neuen, gefährlichen Abenteuern hörte und so hatte es geantwortet: "Ach sag mir doch bitte, was geschehen wird, Homunkulus. Ich bin richtig neugierig geworden."
"Ich weiß es selbst nicht" hatte der Zauberer erwidert, "ich weiß nur, daß es mit der Unterwelt zu tun hat."
"Mit der Unterwelt?" hatte das Zwergle erstaunt wiederholt, "davon habe ich noch nie gehört. Erklär's mir doch bitte genauer ..."
Da hatte Homunkulus ausführlich erzählt: "Also hör zu, mein Freund: diese Welt, in der wir leben, das ist nicht die einzige Welt, die es gibt. Du weißt ja aus deinen Träumen, daß es eine Engel-Welt gibt, in der viele lichtvolle Wesen leben. Meistens können wir nur im Traum dort hineingelangen, es sei denn, wir beten und meditieren sehr viel, dann können wir zu den Engeln gelangen, wann immer wir wollen. Diese Engelwelt liegt 'über' unserer Welt der Menschen und Zwergles. Damit meine ich nicht, daß sie hoch über den Wolken liegt, sondern daß sie mehr Licht vom lieben Gott besitzt als unsere Welt. Sie hat also höhere Licht-Kraft, wenngleich sie auch mitten in unserem eigenen Herzen zu finden ist, diese Engelwelt. Doch es gibt nicht nur eine Welt über unserer eigenen Welt, sondern auch eine Welt unter unserer Erde: man nennt sie Unterwelt. In dieser Unterwelt gibt es sehr wenig Licht Gottes. Wer dorthin gelangen will, muß selbst sehr viel Licht im Herzen tragen, denn es leben schreckliche Ungeheuer dort, viel schrecklichere, als die Drachen, denen wir bereits begegnet sind.

Diese Unterwelt liegt tatsächlich unter unserer Welt. Zur Zeit sind diese beiden Welten völlig getrennt. Man kann nicht von einer Welt in die andere gelangen. Doch bald werden schlimme Dinge geschehen. Dann werden einige Ungeheuer aus der Tiefe zu uns in die Menschen- und Zwergles-Welt gelangen können. Und wir beide, du und ich, müssen dann diese Wesen wieder dorthin zurücktreiben, von wo sie gekommen sind."
"Was sind das für Wesen, die dort unten leben?" hatte das Zwergle schon ganz in Kampfes-Stimmung gefragt, worauf der Zauberer geantwortet hatte:
"Es sind Saurier und noch einige andere Ungeheuer! Weißt du, hier oben gibt es längst keine Saurier mehr. Sie sind in unserer Welt seit langer Zeit ausgestorben. Doch in der Unterwelt existieren sie noch, diese Urwesen. Und wer weiß, was sie anstellen würden, wenn sie je nach oben kommen könnten."

Es war Herbst gewesen, als das Zwergle all dies erfahren hat, und es hatte den ganzen Winter darüber nachgedacht, was wohl im Zwergles-Wald Schreckliches geschehen könnte. Doch es war zu keinem Ergebnis gekommen. Und trotz aller möglicher Gefahren freute sich unser Zwergle wieder sehr auf das Frühjahr, um mit all seinen Freunden herumtollen und spielen zu können.

Das große Erdbeben
Der Frühling hatte schon Einzug gehalten im Zwergles-Wald, alle Bäume blühten schon, die Vögel waren aus dem Winterquartier zurückgekommen. Kurz: es war alles so, wie es sein sollte. Und weil absolut nichts Außergewöhnliches oder gar Gefährliches bisher geschehen war in diesem Jahr, hatte unser Zwergle die Warnungen des Zauberers schon fast vergessen und mit ihm auch nicht mehr darüber geredet.
Eines Morgens ging es wieder einmal durch seinen Zwergles-Wald, um sich an der Natur zu erfreuen, die im Frühjahr immer besonders schön war. Es war völlig windstill, die Sonne schickte ihre wärmenden Strahlen zur Erde,und Zwergle fühlte sich so richtig wohl.
Als es nun eine Zeitlang gewandert war, hörte es plötzlich ein ganz seltsames Gesäusel in den Bäumen, als wenn heftiger Wind die Blätter aneinander bewegen würde. Zwergle fühlte sich plötzlich ganz unwohl. Es blickte zu den Bäumen hoch, sah, daß die Blätter tatsächlich aneinander rieben, doch es war immer noch völlig windstill.

"Was geschieht hier nur?" flüsterte Zwergle zu sich selbst. Plötzlich spürte es die Antwort. Der ganze Waldboden zitterte plötzlich leicht, und es kam ein unheimliches Dröhnen aus den Tiefen der Erde nach oben. Aufgeregt zwitschernd flogen viele Vögel von den Bäumen hoch. Sie spürten genau, daß bald etwas Schlimmes geschehen würde.
Das Zwergle fühlte sich nun immer unwohler. Es schickte rasch ein Schutz-Gebet gen Himmel und wollte nach Hause laufen, da geschah es plötzlich.
Das Zittern wurde stärker und stärker, das dumpfe Dröhnen wurde zu einem lauten Brüllen aus der Erde heraus: die Erde bebte. Es war, als wenn der ganze Zwergles-Wald von einer Riesenhand geschüttelt würde.
Aufgeregt schrien alle Tiere im ganzen Wald durcheinander, denn sie konnten natürlich nicht begreifen, warum alles wackelt und dröhnt. Da war das Erdbeben auch schon wieder vorbei. Zwergle stand mit zitternden Beinen im Wald und atmete erst einmal tief durch, um wieder ruhig zu werden. Dann sah es sich langam um, um herauszufinden, ob der Wald Schaden genommen hätte. Zum Glück konnte es nichts Schlimmes entdecken. Die Bäume standen alle noch verwurzelt in der Erde, nur die Tiere rannten noch aufgeregt durcheinander, doch bei ihnen legte sich langsam die Angst, weil das Beben aufgehört hatte. Allerdings konnte das Zwergle eine sehr große, dunkle Rauchwolke über einem weit entfernten Teil des Waldes erblicken. Diese Wolke war vor dem Erdbeben noch nicht zu sehen gewesen.

"Oh weh ..." murmelte das Zwergle zu sich selbst, "da wird doch nicht dieses schlimme Ereignis geschehen sein, welches Homunkulus letzten Herbst vorausgesagt hat ..." Da beschloß unser Zwergle, sofort dorthin zu wandern, wo der Rauch zu sehen war, um nach dem Rechten zu sehen. Der Weg war weit in diesen entlegenen Teil des Zwergleswaldes, doch Zwergle lief sehr schnell, um ja keine Zeit zu verlieren. Nach einiger Zeit konnte es die Rauchwolke schon ganz deutlich sehen. Hinter dem nächsten Hügel mußte der Rauch entstehen. Zwergle brauchte also nur noch auf den nächsten Hügel zu steigen, dann mußte es sehen können, woher der Rauch kam. Es beschleunigte seine Schritte, ja, rannte den Hügel hoch - und erstarrte vor Schreck.
Das was hier zu sehen war, das vermochte sogar unserem furchtlosen Zwergle einen eisigen Schrecken einzujagen: Mitten im Waldboden einer Lichtung klaffte ein riesiges Loch, vielleicht hundert Meter im Durchmesser, aus welchem der dunkle Rauch hervorquoll. Wahrscheinlich wurde der Rauch nur durch das hinabgestürzte Erdreich verursacht, denn es schien nichts zu brennen.