Ode an die Sonne
O Sonnen-Kraft, o höchster Glanz,
o selbstvergeß'ner Schein,
wo ist all Dein Flammen-Tanz,
wo ist der Götter Wein?
Es scheint, daß alle Gottes-Pracht
und höchste Seligkeit
in diesen Zeiten dumpfer Nacht
liegt in Vergessenheit.
Warum ist jenes Seelen-Licht,
des Menschen hellster Schein,
noch nicht erblüht zur Alltags-Sicht
und hält das Wesen rein?
Traurig ist die Antwort gar:
Begreif' die Perversion
all dessen, was ist licht und wahr
im jetzigen Äon.
Die Sonnen-Kraft, der Seelen-Glanz,
liegt hinter dichtem Ruß,
Erstickung raubt den Atem ganz,
was jeder spüren muß.
O Sonne, send' Dein Flammen-Meer,
zerstör die finstre Pein,
daß aller klebrig schwarzer Teer
verbrennt - und Mensch wird rein.
Sei gnadenvoll, wenn Kali tanzt.
Vernichtung ist kein Pfad,
den Du in Freudes Hallen fandst,
so höre meinen Rat.
Ja: ich, der Mensch, ich maß mir an,
Dir Rettung vorzuschlagen.
Denn leucht' nicht auch die Sonnen-Flamm
in meines Geistes Wagen?
Ich bin ein Teil von Dir, und mehr:
ich bin vergänglich auch.
Meinst Du, daß mein Leben wär
nur irdisch Schall und Rauch?
O nein, Du reine Gotteskraft,
der Mensch ist jene Zwei,
die Ewigkeit aus Staub erschafft,
und EINS, wenn Wahrheit sei.
So höre, Sonne, die bald siegt,
zerstör nur jenes Netz,
das über allem Edlen liegt
und finstre Täuschung schätzt.
Ein Netz der Lüge! Ist es fort,
dann ist der Mensch erwacht,
und in seines Geistes-Hort
Dein ewig Licht nur lacht.
Dann ist der Mensch zur EINS erblüht,
der Ganzheit bringt er Licht.
Der Kosmos nun vor Glanz erglüht,
denn aus des Himmels Sicht
ist jenes einst'ge Tier-Geschlecht
zur Göttlich Tat bereit,
wenn Seel' entzündet, hell und recht,
und all sein Geist befreit.