Im Sanskrit gibt es m.E. 17 verschiedene Wörter für Liebe, angefangen vom reinen geschlechtlichen Vermehrungs-Trieb des Tieres, über emotionale Liebe, über kameradschaftliche Liebe, bis hin zur höchsten, göttlichen Liebe, der völlig erwartungsfreien Selbstlosigkeit.

Schade, daß wir diese Differenzierung in der Deutschen Sprache nicht haben.
Ursprünglich bedeutete Liebe im Deutschen etwas sehr hohes, ganz im Sinne der ritterlichen Aufopferung für ein Ideal. Ob sich nun der Ritter im selbstlosen Kampf für eine Schlacht opferte, ob sich nun eine Mutter durch bedingungslose Liebe für ihr Kind einsetzt, ob sich Bruder und Schwester in geschwisterlicher Liebe bedingungslos helfen, all dies bedeutet(e) einst Liebe.

Was ist heute daraus geworden?
Ein verhohnepimpeltes Wort, meist nur ein Synonym für Sex und Lust-Befriedigung, möglichst ohne jede Verantwortung, möglichst ohne an den jeweils anderen zu denken, also ein pur egoistisches Ausleben von ungereinigten Vital-Kräften, deren beständiger pervertierter Mißbrauch unserer abgesunkenen Kultur einen Sargnagel setzt.
Ist das alles so geplant von den bösen, bösen Steuermännern im Hintergrund, die den Sexus und die un-gemeisterten Gefühle als nahezu perfekten Steuer-Mechanismus für die Masse einsetzen? Mag sein, denn über Gier & Lust ist der unbewußte Mensch gut zu lenken. Dennoch: eine Lenkung wäre nicht möglich, wenn diese Fehl-Steuerung durchbrochen werden und der Mensch den wahren Kern der Liebe wieder in sich zum Erblühen bringen würde.
Es gibt immer den Manipulator und denjenigen, der sich manipulieren läßt.
Gibt es keine passiven Opfer mehr, die sich lenken lassen, verschwinden automatischerweise auch die Manipulatoren, die "Scribores" dieser Erde. (Siehe Gral-Roman 1).

Ich will hier nicht auf die Wandlung des Sexus und die Beherrschung der Emotionen eingehen, das habe ich im Aufsatz über die "Drachenkraft" schon getan. Ich möchte aber über das Wieder-Entdecken jener höchsten Liebes-Kraft schreiben, die dem Menschen als Samenkorn eingepflanzt wurde und deren Erweckung sozusagen das Geburts-Recht, ja die Geburts-Pflicht eines jeden Menschen ist.

Speziell eine heutige Verwendung des Wortes "Liebe" zeigt uns ja bestens den erfolgten Mißbrauch: Man kann im Bordell Liebe kaufen.
Hmmm ... sie ist also ein Konsum-Artikel geworden?

Um zurückzukommen zur ursprünglichen Bedeutung dieses edlen Wortes, versuchen wir mal die Involution und Evolution des Liebeskraft nachzuvollziehen.

In dem Bild einer "gefallenen Schöpfung" (das ja in dieser Form nicht stimmt, das ich aber dennoch der Anschaulichkeit halber jetzt verwende ... ), schickte das Höchste Göttliche Sein den Liebes-Aspekt Seiner Selbst in das Innerste aller Existenz. Dort maskiert, als Schwarze Sonne, als Licht in der Finsternis, als Gottes-Funke in der Unbewußtheit, sollte diese Ursprüngliche Liebe jenes höchste EINSsein wieder zum Vorschein bringen, das einst der Urquell der Schöpfung war.

Dieses EINSsein offenbarte sich zunächst in der Bildung von Sonnen und Sonnensystemen, indem sich die Materie gegenseitig anzog und Formen bildete. Eine Sonne ist somit ein kosmisches Ergebnis der anziehenden Liebeskraft.
Und sie ist offenbar auch ein sehr reines "Ergebnis", denn sie schenkt wahrlich selbstlose Liebe in Form von Wärme und modulierter Evolutions-Strahlungskraft in das Universum. Die Sonnen, als erblühte Liebes-Wesen universeller Art ...

Als auf der Erde die ersten Primaten erschienen und sich bei Auseinandersetzungen gegenseitig "auffraßen" (was und heute so schrecklich roh vorkommt), so war das die erste bewußte Manifestation der Liebes-Kraft in ihrer niedrigsten Erscheinungs-Form: EINSwerden durch Assimilieren des Anderen. Das machen Einzeller auch.

Bei höheren Tieren findet man eine sagenhafte aufopfernde Verhaltensweise des Mutter-Tieres gegenüber den Jungen. Wer als Jäger einen Frischling im Angesicht der Bache erlegt, hat die Bache sofort als Feind. Sie wird den Jäger angreifen, um die weiteren Jungtiere zu schützen, selbst wenn sie mit ihrem Leben dafür bezahlen muß.

In einem treuen Hund findet man diese aufopfernde Liebe gegenüber dem Herrchen ebenfalls.

Soldaten im Krieg können von ungeheuerlichen kameradschaftlichen Einsätzen berichten, die jenseits des Begreifbaren stattfinden. Pures gelebtes EINSsein für einen geliebten Kameraden.

Eine reine emotionale Liebe in einer menschlichen Beziehung wäre nun etwas Wunderbares, wenn sich nicht irgendwann die primitiven Egoismen einschleichen würden, wenn nicht der Alltag jedes edle Gefühl erdrücken würde. Spätesens nach sieben Jahren ist von den ursprünglichen Emotionen nichts mehr vorhanden, die "Verliebtheit" (man beachte die Vorsilbe "Ver ... " - sie bezeichnet eine Entstellung) ist vorüber.
Dann entstehen Beziehungs-Kisten, oftmals üble Bindungen mit Fesseln, die jede individuelle Entwickung bis zu Ekszess einengen. Man will den Partner besitzen, versucht ihn mit Emotionen erdrücken.
Der Beginn der Pervertierung der Liebes-Evolution begann also mit dem denkenden Menschen, der etwas für sich "besitzen" wollte und sich selbst dadurch vom EINSsein aller Existenz absonderte.
Nur selten gelang in menschlichen Zweierbeziehungen das Erblühen einer wahrhaftigen Liebe, in vielen Fällen wurde es nicht einmal versucht.

Diese Tatsache inspirierte Sokrates (der mit einem schlimmen Haus-Drachen verheiratet war) offenbar zu dem Spruch: "Für einen Mann gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder er ist bestens verheiratet und führt ein glückliches Leben - oder er führt eine schlimme Ehe und wird ein großer Philosoph!"

Die ursprüngliche Göttliche Liebe beginnt nun genau dort, wo die durch das menschliche Haben-Wollen entstellte Liebe aufhört: bei der völligen Erwartungslosigkeit und der bedingungslosen Hingabe und Selbstlosigkeit.

Doch diese Aspekte müssen zuallererst einmal in einem selbst zum Vorschein und zum Erblühen gebracht werden, ehe man dran denken kann, sie in einer Beziehung zu entwickeln und zu verwirklichen.
Wer bereit ist, sich selbst, sein Leben und alle Früchte seines Lebens wie eine SONNE aufrichtig und ohne irgendwelche Erwartungen zu verschenken, der ist auch bereit zu einer hohen Liebe im zwischenmenschlichen Bereich, die dann nicht einmal an einen Partner/Gefährten gebunden sein muß, sondern an die Menschheit an sich ausgestrahlt werden kann.

Umso schöner ist es, wenn einem dann das Schicksal einen Gefährten bzw. eine Gefährtin zur Seite stellt, die dieselben Grundlagen bereits in sich entwickelt hat.
Dann sieht der Mann in der Frau nur noch die verkörperte Gottheit und die Frau im Manne genau dasselbe. Der Partner ist nicht mehr der erstrebte "Ersatz" für eigene persönliche Schwächen und/oder das Opfer einer selbstsüchtigen Begierde, sondern wird eine hohe und höchste Ergänzung, ja Potenzierung des eigenen Seins. Im Integralyoga heißt es: "Die höchst möglichste Form der menschlichen Liebe ist das Wirken EINER Seele in zwei Körpern."
Das bedeutet: die Seelen von Mann und Frau können in dieser hingabevollen Selbstlosigkeit völlig miteinander verschmelzen, sie können nicht nur, sie tun es auch.
Und das ist dann nicht nur die Verschmelzung zweier Seelen, es ist die Erfüllung des menschlichen Strebens nach dem EINSwerden mit dem Göttlichen.
Liebende und Geliebter werden EINS - Mensch und Kosmos werden EINS, das Endliche wird EINS mit dem Unendlichen.
Das ist die wahre Cymische Hochzeit des Menschen. Die Verschmelzung in einer unbeschreiblichen Ekstase, die kein einmaliger Prozess ist, sondern ein beständiges Werden. (Näher beschrieben im 4. Gral-Band).

Entscheidend dafür ist, daß ein passender Partner für so einen Verschmelzungs-Prozess nicht gesucht werden braucht, ja nicht mal gesucht werden d-a-r-f, denn dies wäre ja wieder eine Absicht ... zu einem "Zweck". Absichtslosigkeit ist jedoch unbedingt als Voraussetzung vonnöten.
Ein menschlicher Partner wird entweder durch entsprechende Resonanz aufgrund entsprechender innerer Reife ins Leben geführt ... oder die Cymische Hochzeit findet in einem Selbst statt, wenn die Seele des Menschen sich dem unendlichen ewigen Sein nähert und jede Berührung mit der Ewigkeit zu einer ekstatischen Erfahrung wird. Ein menschlicher Partner ist ja dann eher eine Erweiterung des eigenen Seins, jedoch kein "anderer" mehr, so innig ist die Liebes-Kraft dann gewachsen.

Nach all den vielen Worten kann nur eines geraten werden: bei jeder Handlung im Leben, ja bei jedem Gedanken und jeder Emotion sollte man stets eine umfassende Hingabe und Absichtslosigkeit trainieren. "Nicht die Früchte des Tuns begehren ...!" sagte der Buddha.

Wenn das Gefühl wächst, ein bewußtes Instrument des All-Seins zu sein, und Dinge getan werden, weil sie getan werden müssen, nicht weil es uns einen angeblichen "Vorteil" bringt, dann sind wir auf dem richtigen Pfad, die wahre Liebe in uns zu entwickeln.

Namasté