Gerne läßt sich der Mensch der heutigen Zeit darüber aus, daß Wahrheiten in unseren Tagen kaum mehr zu erkennen sind und deren Pervertierungen (zu welchem niedrigen Zwecke auch immer) überhand nehmen.

Dabei vergessen wir gerne, daß die massivste Entstellung der Wahrheit stets in uns selbst stattfindet und dadurch all den Entstellungen der äußeren Welt eine Resonanz zu unserem Erkennen bietet, ja oft genug gar ein Eingangstor in unser Bewußtsein.

Die aktive Suche nach Wahrheit sollte daher in jedem wachen Menschen eine der ersten Lebens-Präferenzen darstellen.
Wahrheit finden wir jedoch niemals durch ein analytisches Bloßlegen von Lügen und Pervertierungen, von denen wir offensichtlich umgeben sind. Das wäre nur ein ständiges Wühlen im Müll. Wer aber nur im Müll wühlt, wird konsequenterweise auch nur Müll finden.

Die ursprüngliche Wahrheit zu finden, die meist hinter bzw. unter jeder finsteren Entstellung noch glimmt, und sie von einem verlöschendem Glimmen wieder zu einer lodernden Flamme zu entfachen, das sollte Aufgabe unseres Lebens sein.

Was aber ist Wahrheit?
Was ist jenes unterdrückte Glimmen, dessen (Wieder-)Auflodern unser gesamtes Wesen wie eine Feuer-Walze durchflutet, wenn es denn erst einmal angefacht ist?

Davon abgesehen, daß es unmöglich ist, eine mentale Definition von Wahrheit in Worte zu fassen, kann es auch nicht das Anliegen der Wahrheit sein, sich in Definitionen pressen zu lassen, denn dadurch würde ein neues Dogma entstehen, welches schon wiederum eine Verfälschung darstellt, weil es rational und dadurch starr ist.

Obwohl Wahrheit also keiner Definition unterliegen darf, nicht mal einer ihrem transzendenten Wesen entsprechenden flexiblen Definition, gibt es genug Kennzeichen für das Wirken der Wahrheit, im Äußeren und im Inneren.

Taten und Werke, die im Bewußtsein der Wahrheit entstanden sind, haben etwas Ewiges und Edles an sich und halten sich lange auf Erden - als edle Rosen, während die nach Profit gierenden Taten eines von der Identifikation mit dem Vergänglichen geprägten Menschen natürlich wiederum nur Vergängliches, oft genug sogar Vampirhaftes hinterlassen. Sie verdorren rasch und hinterlassen Sumpf.

Wer sich nun im eigenen Bewußtsein einer höheren Wahrheit nähert, weiß immer umfassender und in jeder Minute seines Lebens mit hoher Sicherheit, was zu tun ist und daß es "richtig" (im Sinne einer Fortentwicklung der Ganzheit...) ist, was er tut.
Fehler sind dann keine "Fehlentscheidungen" mehr, sondern nötige Hürden, um weiter zu wachsen und sich dem Göttlichen zu nähern.

Ein Leben in Wahrheitsliebe und innerer Wahrhaftigkeit bringt eine konstante Annäherung an jene Ur-Freude mit sich, aus der die Schöpfung einst entstanden ist und auf der die gesamte Existenz nach wie vor begründet ist.

Vor allem aber hat der spirituelle Wahrheits-Begriff nur recht wenig mit der äußeren Wahrheit (dem Gegenteil der bewußten Lüge) zu tun, jener profanen Wahrheit, die der Römer meinte, wenn er sprach: "In vino veritas!"
Eine geistige Wahrheit ist viel mehr die Abwesenheit jeder entstellenden Kraft im eigenen Bewußtsein, daß die unmaskierte Reinheit des unverhüllten Seelen-Willens in ihrer ganzen Schönheit und verändernder Kraft zum Vorschein kommen kann.

Wahrlich kein leichtes Unterfangen, in dieser Wahrheit beständig sein Leben führen zu wollen, denn man macht sich damit automatischerweise alle umgebenden Menschen zum Feind, die doch so gerne in ihrer althergebrachten Gewohnheit und Illusions-Welt verbleiben wollen, frei von Verantwortung, frei von wahrer kosmischer Größe, aber in ihrem Erkennen reduziert auf das enge Niveau eines Goldfisches im seinem begrenzten Goldfischglas, der zwar gelegentlich erkennt, daß sich da draußen irgend eine weite, unbekannte Welt befindet, aber nicht ahnt, daß sich diese Welt gänzlich seiner begrenzten Seinsweise entzieht.

Parzzival